Welch ein Schreck war das für meine Reitmädels, als ich ihnen eröffnet habe, dass sich unsere Wege im Herbst nun endgültig trennen werden. „Das kannst du doch nicht machen“, „Wir mögen dich doch so“, „Nur bei dir ist es schön mit reiten“. Da wurde auch mein Herz ganz schwer und traurig. Aber wie kam es denn überhaupt dazu?
Schon seit einigen Jahren übernehme ich bei uns im Reitstall die Reitanfänger. Kinder die noch gar keine Berührung mit den Pferden hatten, Kinder die schon in anderen Reitställen das Reiten gelernt haben und neu bei uns einsteigen. Eine kleine Truppe von etwa acht Kindern. Zuerst ein wenig Theorie, die dann Stück für Stück mehr in die Praxis übergeht. Irgendwann steigen wir auch auf die Pferde, zuerst für eine ganze Weile geführt und später dann im freien Reiten. Solange bis die Kinder fit genug sind in unsere Anfänger-Gruppenstunden zu wechseln.
Zu Beginn ging das immer Hand in Hand, ein Kind war weit genug, dann kam ein weiteres Kind von außerhalb mit dazu, das schon etwas reiten konnte und direkt in die Gruppe einsteigen konnte. Ein anderes Kind war noch nicht so weit, das hat mich dann als „Großer“ in den neuen Kurs begleitet und konnte als Vorbild für die anderen dienen.
Doch dann kam Corona und alles war anders. Die Mädels waren eben gestartet und schon wieder ausgebremst durch den Lockdown. Im Sommer der nächste Startversuch, dann kamen die Sommerferien und alle waren erstmal wieder weg. Im Herbst der nächste Lockdown. Tief war die Trauer, dass sie schon wieder nicht zum Reiten kommen durften. Aber mit den Abstandsregeln und dem Umstand, dass alle noch sehr viel Hilfe rings ums Pferd und beim Reiten benötigten, war es uns einfach nicht möglich das umzusetzen.
Im Frühjahr ´21 der nächste Start. Inzwischen war klar, dass die Kinder sehr viele Dinge im sozialen Bereich versäumt hatten, einfach weil sie durch das Homeschooling nicht die Möglichkeit hatten untereinander und voneinander zu lernen. Einige waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht einen Tag in der Schule gewesen, obwohl sie inzwischen die Klassenstufe zwei besuchten.
Es hat mich beinahe ein halbes Jahr gekostet bis die gesamte Gruppe auf einem Stand war Regeln einhalten zu können und sich für die Zeit der Reitstunden zu konzentrieren. Niemals mit böser Absicht, aber für manch einen war es eine sehr anstrengende Sache all diese Dinge noch „nebenbei“ zu lernen.
Die Sommerferien gingen vorüber, der Winter kam, zwar mit Masken und allem Drum rum, aber die Kinder waren glücklich, dass sie weiter zum Reiten kommen durften. Und irgendwann kam der Tag an dem ich dachte: „Ja, jetzt haben sie es, jetzt sind sie soweit“. Ein erster Versuch meine Reitgruppe von einer anderen Reitlehrerin unterrichten zu lassen ging gründlich schief. Das ist normalerweise meine Rückversicherung, ob ein Kind soweit ist in die normalem Gruppenstunden zu wechseln. Andere Anweisungen zu bekommen, einen anderen Unterrichtsstil mitzuerleben und hinterher zufrieden aus der Stunde zu gehen. Aber hier bei den Mädels war der Ofen aus. Es brauchte plötzlich wieder Führer, keiner wollte galoppieren, ich wurde hinterher von alle umringt.
Nach einigen Gesprächen stellte sich heraus, dass sie wirklich Angst bekommen hatten, dass etwas auf das sie sich so lange gefreut haben und so lange darauf warten mussten ihnen plötzlich wieder genommen werden sollte. Eigentlich ein absolut irrsinniger Gedanke, aber in den Kinderköpfen hatte sich aus irgendeinem Grund die Idee festgesetzt, dass ich sie „verlassen“ und damit auch das Reiten beendet sein würde.
Also das ganze nochmal zurückgedreht. Zu Gute kam uns dann, dass im Reitbetrieb strukturelle Änderungen bevorstanden und wir uns darauf geeinigt hatte, dass ich die Gruppe noch bis nach den Sommerferien weiterführen würde. Die Kinder waren begeistert und so hatten wir genügend Zeit uns zu überlegen, wie wir die Zeit bis dahin noch nutzen wollten. Schnell war klar, das Reitabzeichen 10 wäre ein absoluter Traum. Das Ziel war definiert, der Ehrgeiz geweckt. Und plötzlich wuchsen die kleinen Reiter über sich hinaus, die erste die es alleine schaffte die Steigbügel zu verschnallen hat die anderen so in den Bann genommen, dass in der Stunde danach alle selber versuchen wollten. Die Ponys haben es genossen, ging es doch 30 Minuten nur im Schritt im Kreis herum bis alle fertig waren 😉
Wir haben neue Hufschlagfiguren eingeführt, einen langen Schrittausritt ins Gelände gemacht, den leichten Sitz erlernt, sind über Stangen getrabt und haben Rückwärtsrichten und die Vorhandwendung gelernt.
Es schien die Zeit gekommen, an der wir einen weiteren Versuch starten konnten mit der anderen Reitlehrerin. Und sieh an, das Versprechen, dass sie bis zum Herbst bei mir bleiben durften zeigte seine Wirkung, die Stunde war laut ihr „ganz entspannt“ verlaufen. Tja und schnell kam dann auch die Frage auf, wann sie denn mal wieder Unterricht machen würde. Auch wenn es ein kleines Wermutströpfchen in meinen Augen gab, im Grunde genommen war es ja genau das, was ich mir erhofft hatte. So war es dann über die Sommerferien auch kein Problem die Kinder probeweise mal in die normalen Gruppenstunden zu vermitteln, wenn der Rest gerade im Urlaub war. Und auch wir hatten Probekinder mit dabei, die sich schon sehr auf einen richtigen Start bei uns freuten.
Bald ist es nun soweit. Die Kinder haben ihren großen Tag. Es kommen zwei Richter zur Abnahme der Reitabzeichen, es kommen ihre Familien und sie dürfen zeigen, was sie gelernt haben. Auch andere Kinder sind mit dabei, die sie im Lauf des Vorbereitungskurses kennenlernen durften und so konnten sie neue Kontakte knüpfen und freuen sich jetzt auf die „großen“ Reitstunden. Plötzlich ist es gar nicht mehr so schlimm, dass ich ihnen eröffnen musste, dass sich unsere Wege nun endgültig trennen.
Und außerdem, die Weihnachtsfeier steht ja nun auch bald an. Und wer könnte besser zeigen, was man bei mir lernen kann als die, die lange von mir lernen konnten? Das „Hallo“ aus der Überschrift geht nun aber weiter an die neuen Mädels, die im altbewährten Format nun bei mir einsteigen dürfen. Und auch da wird es irgendwann mal heißen „Auf Wiedersehn“, so dass ich „Hallo“ zu den Neuen sagen kann….