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Plädoyer für mehr Theorie

Alte Bücher im Regal

Theorieunterricht, gehasst und unbeliebt. Knochen und Gelenke runterbeten. Zack-zack, die Skala der Ausbildung muss sitzen! Giftpflanzen; Reitweisen; Abstände in Kombinationen und Distanzen. Isländer, Haflinger, Araber und Friese. Hackamore und Bosal; Hufschlagfiguren und Trainingslehre.

Alles schonmal gehört, vielleicht auch auswendig gelernt für Prüfungen oder einfach rein interessehalber mal ein Buch durchgestöbert, das im Reitsportladen oder der Bibliothek gerade greifbar war. Aber wozu das Ganze?

Wozu sich diese graue Theorie aneignen und am besten nicht nur auswendig lernen, sondern sogar so lernen, dass man einen Nutzen daraus ziehen kann?

Zuallererst ermöglicht ein solides Grundlagenwissen natürlich erst den Umgang mit den Pferden. Da diese Kenntnisse in Fleisch und Blut übergegangen sind, ist es uns im normalen Alltag nicht mehr weiter auffällig. Ein Pferd legt die Ohren an, ein anderes prustet aufgeregt. Das nächste dreht sich ständig zu seinem Bauch um und flehmt, da sollte wohl der Tierarzt schnell kommen.

Diese Sachkunde sollte aber weiter vertieft werden, durch typischen Theorieunterricht, Selbststudium von Büchern, Zeitschriften, Nachschlagewerken oder Wissensangebote im Netz. Noch besser kann man all dies aber von Pferdekennern lernen. Hier lohnt es sich mit offenen Augen und Ohren durch die Ställe zu gehen und solche, leider recht raren, Pferdeleute zu treffen und sich mit ihnen zu unterhalten. So kann man sich Sicherheit im Umgang, Pflege und auch den reiterlichen Dingen holen die in früheren Zeiten ganz automatisch vermittelt wurden und heute mehr und mehr in Vergessenheit geraten.

Theorie und Praxis – Worin liegt der Gewinn?

Jetzt stellt sich nur noch die Frage wie uns diese ganze Theorie denn nun beim Reiten weiterhelfen soll? Ganz einfach. Ein Beispiel: Wenn ich die Fußfolge im Trab theoretisch beherrsche, kann ich den Moment erkennen, in dem man das innere Hinterbein dazu bekommt, effektiver unterzutreten. Dazu ergänzend das Wissen, dass ein Muskel auf impulsartigen Druck mit dem Zusammenziehen seiner Muskelfaser reagiert, führt in Kombination zu der Erkenntnis des richtigen Moments der Hilfengebung. Erst wenn ich weiß, was passiert und mir Gedanken drüber mache, komme ich in einen Zustand, in dem ich mir bewusst werde, dass ich etwas spüren sollte. So kann sich ein Gefühl für Bewegungen und den richtigen Moment entwickeln. Darauf folgt logischerweise die Erfahrung durch gutes Timing zu einer wirkungsvolleren Hilfengebung zu kommen. So kann die Einwirkung weiter verfeinert werden und es kommt zu mehr Leichtigkeit und unsichtbareren Hilfen beim Reiten.

Ich kann mir also, durch die theoretischen Grundlagen die ich erwerbe, klar darüber werden, was eigentlich mein Ziel sein soll. Ich kann verstehen, was ich lernen möchte. Ich kann auf fachlicher Ebene mit meinem Reitlehrer und anderen Reitern kommunizieren. Ich kann mir darüber klar werden, welche Kenntnisse mir noch fehlen um den nächsten Schritt zu machen. Und das auf vielfältigen Ebenen: Ein Friese hat ein anderes Gebäude als ein Haflinger, ein Araber oder ein Warmblut: Kann ich Pferde dahingehend beurteilen, kann ich mein Training effektiver gestalten. Ich muss die Haltungs- und Fütterungsbedingungen bewerten und gegebenenfalls anpassen. Ein Trainingsplan sollte entworfen werden, darin verschiedene Lektionen und Übungen dem Ziel angepasst. Die Ausrüstung muss zur gewünschten Reitweise passen, die Übungen zur angestrebten Zielvorstellung.

Klar muss sein, Reiten lernt man nicht mit Stift und Papier und auch nicht aus einem oder mehreren Büchern. Aber man kann es sich selber und dem Pferd leichter machen, wenn Wissen und Gefühl kombiniert werden.