Da schaut man verträumt einem Reiter und seinem Pferd zu und freut sich über dieses harmonische Paar. Kein Zügelzug, kein Schenkelklopfen, Gangarten fliesen hin und her ohne dass eine bewusste Einwirkung sichtbar werden würde. Das Pferd kaut zufrieden auf seinem Gebiss, lässt den Hals fallen, schnaubt ab und wirkt im Gesamten rund und zufrieden. Derart sollte das doch auch bei einem selber funktionieren denkt man so für sich.
Und wie man da so beobachtet und vor sich hinträumt, drängt sich allerdings Stück für Stück die Frage auf, weshalb es nur so leicht aussieht und kaum, dass man selbst auf dem Pferd sitzt, plötzlich alles sehr kompliziert ist und sich überhaupt nicht geschmeidig und im Einklang anfühlt.
Vielleicht hat das eben beschriebenen Paar noch vor einem Moment auch darum gestritten, dass Gänseblümchen ganz sicher keine Pferde fressen. Oder wer weiß, ob der Reiter gerade hart an sich arbeitet den Atem nicht anzuhalten, sondern ruhig und gleichmäßig zu atmen. Wir dürfen niemals vergessen, dass es sich immer nur um Momentaufnahmen eines unter Umständen schon langen gemeinsamen Weges mit all seinen Höhen und Tiefen handelt. Das sind lauter kleine Gegebenheiten, die vielleicht im Moment nicht zum Tragen kommen, aber die beiden ganz schön viel Arbeit, Kraft und Energie in der Vergangenheit und vielleicht auch noch in der Zukunft kosten werden, diesen Augenblick wieder einmal zu erreichen. Somit ist Leichtigkeit auch immer ein erarbeiteter Weg mit vielen Zwischenschritten, Enttäuschungen und Rückschritten, die sich dann Stück für Stück immer mehr in Erfolgserlebnisse und längere Phasen der Harmonie verwandeln.
Selbst- und Fremdwahrnehmung
Nicht zu vergessen ist das gemeine, trügerische eigene Gefühl. Der Unterschied in der Selbst- und Fremdwahrnehmung. Vielleicht ärgert sich besagter Reiter just in diesem Moment darüber, dass er schon wieder vergessen hat die linke Hand aufrecht zu stellen oder den Übergang noch feiner vorzubereiten oder er wünscht sich den Galopp mit mehr Durchsprung und den versammelten Trab mit mehr Hankenbeugung, eben so wie letzte Woche im Training. Für den Betrachter mag es vollkommen wirken, für den Reiter ein Sammelsurium an Momenten, die es zu verbessern gibt und die ihm noch weit weg von höchster Perfektion erscheinen.
Wer Leichtigkeit erreichen möchte, muss auch die Grundvoraussetzungen schaffen. Ich muss die Sorgen aus dem Büro ablegen, ich muss meinen Körper kennenlernen und Spannungen abbauen. Ich muss mich voll auf mein Pferd und die gemeinsame Arbeit einlassen und schlussendlich nicht zu vergessen, ich muss Spaß am Reiten und dem Umgang mit meinem Pferd haben. Durch Physiotherapie, Ausgleichssport, Yoga oder Progressive Muskelentspannung lerne ich meinen Körper kennen, sorge für psychische Ausgeglichenheit, trainiere andere Muskelgruppen, stabilisiere meinen Körper im Gleichgewicht. Hier muss jeder und jede ganz individuell für sich herausfinden, was guttut und zum Erfolg verhilft.
Schwerstarbeit für Leichtigkeit
Stilles Sitzen und gefühlvolle Einwirkung sind Schwerstarbeit. Einerseits für die Muskulatur, weil es plötzlich nicht mehr nur die großen Muskelgruppen betrifft, sondern eher jede einzelne Muskelfaser der kleinsten Muskeln im Körper. Wussten Sie zum Beispiel schon, dass zwischen jedem Wirbelkörper in der Wirbelsäule winzige Muskelchen verlaufen, die die Wirbelkörper passend zueinander ausrichten und in Aufrichtung bringen? Können Sie erahnen, wieviel Feineinstellung es benötigt, dass alle seitengleich und gleichzeitig den passenden Tonus einstellen um die Wirbelsäule aufrecht zu halten? Und denken wir mal nur einen kleinen Schritt weiter: Es kommt plötzlich Bewegung ins Pferd, die es innerhalb von Mikrosekunden auszugleichen gilt. Ein wahnsinniges Zusammenspiel von Muskeln, Nerven, Bänder, Sehnen und Gelenken. Aber, man beachte, eine Schwerstarbeit im Kleinen, im Unsichtbaren, im Feinen, in Leichtigkeit.
Andererseits sind nicht nur die körperlichen Anteile gefordert, ebenso ist diese feinste Einwirkung eine unheimliche Konzentrations- und Schwerstarbeit für die grauen Zellen. Aber warum denn das? wird sich manch einer fragen. Es gilt das Prinzip, immer früher zu bemerken, wenn sich an Pferd oder Reiter eine Abweichung oder ein Fehltritt ergibt. Immer feiner kann man so mit weniger Aufwand korrigieren, das Zusammenspiel wird harmonischer und für den Betrachter wirkt es wie ein Spiel von Seifenblasen in der Luft. Glänzend, schimmern, sanft schwebend, aber ebenso fragil, leicht zerstört durch eine Unachtsamkeit. Es gilt die Konzentration hoch zu halten, störende Einflüsse rechtzeitig zu erkennen um weiter sachte im Wind zu schweben und zu glitzern. Konzentration auf sich selber, Konzentration auf die Reaktionen des Pferdes und Konzentration nur solche Aufgaben zu verlangen die in diesem Moment gemeistert werden können mit dem geringsten Aufwand an Hilfen und Druck.
Leichtigkeit durch feine Einwirkung, es gilt die Motorik zu schulen. Denken sie an kleinen Kinder, die zum ersten Mal einen Stift in der Hand halten. Fest in die Faust eingeschlossen gibt es wilde Zickzacklinien, die das Blatt Papier auf allen Seiten übermalen. Schnell wird daraus ein gegenständliches Malen: das Strichmännchen, eine Sonne und ein Haus. Es geht über in gefühlvolles Malen innerhalb von Linien, der Stift wird nur noch mit drei Fingern gefasst. Weiter geht es mit Druckbuchstaben und geschwungener Schreibschrift. Vielleicht wird es irgendwann zur Kalligrafie, ein filigranes Malen mit Aquarellfarbe oder ein fein getuschter Schattenriss. Wenn man sich diesen Prozess aber mal nochmal bewusst vor Augen führt, bemerkt man sehr schnell, dass dies keine Sache ist, die man innerhalb von zwei oder zehn Jahren erlernt. Bis jemals ein Bild wie der Seerosenteich von Claude Monet oder Leonardo Da Vincis Mona Lisa herauskommen, sind noch viele Schritte der Verfeinerung notwendig. Und wer sagt uns, dass diese Maler immer vollkommen zufrieden mit sich und ihrem Ergebnis waren? Aber für uns Betrachter wirken diese Bilder ebenso vollkommen, wie der Reiter auf seinem Pferd aus dem Einstiegstext.
Leichtigkeit im täglichen Umgang
Ein wichtiger Punkt ist schon ganz weit zu Beginn der Beziehung zwischen Mensch und Pferd zu sehen. Wenn ich schon beim Putzen darauf achten muss, nicht ständig den Huf auf meinem Fuß stehen zu haben, wenn ich mein Pferd dreimal auffordern muss rückwärts zu gehen oder mich nicht anzurempeln, wird es auch mit der Leichtigkeit beim Reiten nicht weit bestellt sein. Konsequenz in den Regeln, sanftes Auffordern aber energisches Einfordern ist hier der Schlüssel zum Erfolg. Und je leichter wir den Umgang miteinander gestalten, desto eher kann sich das auch auf das Reiten übertragen.
“Reiten ist ganz leicht: Du brauchst fast gar nichts zu machen.
Reiten ist aber auch sehr schwer: Du darfst auch fast nichts machen.”
(Marie Symbill)