Unterrichtsgestaltung

Warum sich Rückfragen lohnen

Neulich in der Fördergruppe. “Darf ich heute ohne Hilfszügel reiten?” Ich hätte die Frage ganz einfach mit “Ja”oder “Nein” beantworten können. Oder vielleicht mit einem “Ja, das passt heute sehr gut, wir wollen uns nämlich darauf konzentrieren vieleÜbergänge zu reiten, das könnte sich anbieten, um dein Pony locker zu bekommen” Oder mit einem “Nein, unser Hauptaugenmerk soll heute darauf liegen, korrekte Hufschlagfiguren zu reiten, aber lass uns das für nächste Woche in Angriff nehmen.”

Stattdessen antwortete ich mit einer Rückfrage: “Was könnte aus deiner Sicht dafür oder dagegen sprechen es zu versuchen?”

Meine junge Schülerin, die solche Fragen durchaus schon von mir gewohnt ist, konnte schnell eine Antwort finden. “Ich fände es gut, wenn wir heute daran weiterüben könnten, dass ich es schaffe mein Pony durch Stellung und Biegung lockerer zu bekommen. Und ich habe gesehen, dass du Hütchen in der Halle aufgebaut hast, deswegen dachte ich es wäre heute ein guter Zeitpunkt daran zu arbeiten.”

Toll, was sie mir da mit ihrer Antwort alles mitteilen konnte, oder? Kurz zusammengefasst, was sie aus den letzten Stunden mitgenommen hat und verstanden, wie man die angebotenen Möglichkeiten, in dem Fall die Pylonen nutzen kann um beim Reiten lernen voranzukommen. Und ich konnte einschätzen, was ihr gerade wichtig ist, was sie als Ziel weiter verfolgen möchte und sie dann dabei unterstützen.

Eine weitere Frage, gestellt von einer anderen Reitschülerin: “Können wir Zirkel verkleinern im Galopp üben?” auch hier meine Rückfrage: “Was meinst du, was macht dich sicher, dass du bereit für diese Übung bist?” Sie war kurz überrascht über meine Nachfrage und hat sich ein paar Minuten Bedenkzeit erbeten. Kein Problem, zuerst stand sowieso das Warmreiten und Lösen des Pferdes auf dem Plan. Als ich sie ein paar Minuten später nochmal darauf ansprach, kam ihre Antwort für mich allerdings auch etwas überraschend. “Ich glaube, diese Übung ist heute doch nicht ganz die richtige für uns. Ich war diese Woche sehr im Stress an der Uni. Viele Dinge die ehrgeizig verfolgt werden und pünktlich fertiggestellt werden mussten. Ich befürchte ich übertrage diesen Stress heute aufs Pferd und könnte die Aufgabenstellung zu ehrgeizig angehen. Lass es uns für ein anderes Mal im Hinterkopf behalten und heute lieber nochmal am Zulegen und Einfangen der Galoppsprünge arbeiten.”

Natürlich, wer als Reitschüler noch nie mit so einer Rückfrage konfrontiert wurde steht erst einmal mit Fragezeichen über dem Kopf da. Was soll ich jetzt antworten? Wird eine bestimmte Antwort von mir verlangt? Wie kann ich mich selbst richtig einschätzen, was gelingt gut, was geht noch nicht so einfach von der Hand? Wie ist meine Tagesform und wie die meines Pferdes? Hier kann es helfen mit kleinen Tipps zu unterstützen, oder auch wie oben schon erwähnt ein paar Minuten Bedenkzeit zu lassen.

Ganz wichtig ist es auch, die ursprüngliche Frage des Schülers nicht zu vergessen, selbst wenn er sich dafür entscheidet, diese Übung heute doch nicht reiten zu wollen/zu können. Das macht guten Unterricht aus, den Kernpunkt der Frage zum Anlass zu nehmen, genau daran zu arbeiten. Für das zweite Beispiel könnte es eine Idee sein, das Galoppsprünge verlängern und verkürzen nach dem Üben auf der ganzen Bahn, dann in der Reitstunde auch auf der Zirkellinie ausführen zu lassen. Ein kleiner Teilschritt zum Zirkel verkleinern ist damit gemacht und kann positiv bewertet und hervorgehoben werden.

Nur auf eines müsst ihr euch einstellen 😉 Meine Frage in der letzten Stunde der Fördergruppe “Sollen wir uns heute ein wenig um das korrekte Reiten der einfachen Schlangenlinie kümmern?” wurde sogleich von einer kleinen Reiterin kommentiert: “Was spricht aus deiner Sicht dagegen, dass wir diese Aufgabe gut lösen können? Nur, dass wir gleich von Anfang an wissen, worauf wir besonders achten müssen.” Ein Schmunzeln flog mir ins Gesicht und ich holte die Mädels zu mir. Ein kurzes Update für alle, wie die einfache Schlangenlinie ideal geritten wird und dann ging es los. Es wurden die schönsten und vor allem sehr stolz gerittenen einfachen Schlangenlinien, die ich seit langem gesehen hatte.