Reitlehrer & Reitschüler

Was Reiten mit der Sonntagstorte zu tun hat

Stell dir vor du möchtest einen Kuchen backen. Leider fehlt dir der Zucker dazu und die Milch riecht auch nicht mehr besonders gut. Als Alternative könntest du ja Zuckerrübensirup nehmen, so dein Gedanke und statt der Milch geht sicher auch Wasser. Oh, da fällt dir noch auf, das Mehl ist auch fast leer, doch das könnte man ja mit gemahlenen Mandeln strecken. Statt dem Ei hast du irgendwo im Internet gelesen, könne man auch eine zerdrückte Banane oder Apfelmus nehmen. Wie wird das Ergebnis wohl aussehen?

Vielleicht hast du Glück und es wird tatsächlich etwas Essbares draus. Vielleicht sehr süß und eher hart statt locker-luftig, aber zumindest irgendwie essbar. Wenn du Pech hast läuft es aber auch einfach auseinander und gibt keinen festen Kuchen oder es braucht viel mehr Hitze und Zeit um hart zu werden. Der Kuchen wird dann vielleicht so hart, dass es wiederum besser wäre ihn in Milch einzutunken, die ja aber bekanntlich im Kühlschrank fehlt.

Was sagst du?
Du bist doch auf einem Blog zum Thema Reiten und nicht zum Thema „Backen“? Natürlich hast du recht, aber wenn wir jetzt einmal kurz nachdenken wird dir sicher klarer weshalb ich diesen Vergleich gewählt habe.

Stell dir vor, du möchtest einen guten Reitunterricht genießen. Leider passt der Sattel nicht ganz richtig auf dein Pferd, aber das kann man ja mit diversen Pads richten. Statt den richtigen Reitklamotten hast du im Internet gelesen, da ginge auch ein Fahrradhelm, eine Jeanshose und Turnschuhe. Wie wird das Ergebnis wohl aussehen?

Vielleicht hast du das Glück und es wird tatsächlich irgendetwas daraus, das nach „Reiten“ ausschaut. Vermutlich ziemlich speziell, eher kantig statt locker und leicht, aber zumindest irgendwie eine Ähnlichkeit ist zu erkennen. Wenn du Pech hast, läuft es aber auch überhaupt nicht, es braucht mehr Zeit, mehr Geld und am Ende kommt doch kein gutes Ergebnis dabei heraus.

Na, was sagst du? Vergleich gelungen?

Punkt Nummer 1 für erfolgreichen Unterricht sind die passenden Grundvoraussetzungen bei Reiter und Pferd. Hier spielt der Ausbilder eine entscheidende Rolle. Als Trainer sollte mein erster Blick in jeder Stunde darauf gehen, ob die Ausrüstungsgegenstände passend zu beiden gewählt sind, ob alles korrekt verschnallt und sauber ist und wenn mir Ungereimtheiten auffallen muss ich das Gespräch mit dem Reiter suchen.

Weiterhin achte ich auch im Laufe der Reitstunde darauf, ob das Pferd Unwohlsein unter der gewählten Ausrüstung zeigt. Ein Sattel kann durch verschiedene Faktoren plötzlich nicht mehr passen, Krankheit des Pferdes oder anderer Futterzustand, das nur als Beispiele genannt. Ob sich für den Schüler Schwierigkeiten bei den gewählten Übungen durch nicht ideal gewählte Ausrüstung ergeben (Stichwort: „z.B. ein für den Reiter unpassender Sattel“) Nach der Arbeit gibt es auch Zeichen die auf mangelhafte Ausrüstung schließen lassen (Schweißabdruck, wunde Stellen, …). Als Ausbilder fällt es uns oft leichter das große Ganze im Blick zu behalten und mit etwas Abstand auf die Situation zu schauen.

Ganz besonders deutlich wird es, wenn ein Pferd-Reiter-Paar Probleme bekommt, die wir so nicht gewohnt von beiden sind. Das Pferd geht klemmig, der Reiter kommt nicht zum Sitzen, eine ausgeprägte Schiefe beim Pferd, ein Einknicken des Reiters in der Hüfte. Unwilliges Schweifschlagen, Unkonzentriertheit im Springparcours. Hier gilt es nun herauszufinden wo die eigentliche Ursache des Problems liegt um dann mit gezielten Lösungsvorschlägen Verbesserungen zu erreichen.

Folgende Bereiche sollten abgeklärt werden: Die Haltung des Pferdes und das Equipment. Ein Pferd das aktuell wegen einem Neuankömmling in der Herde viel umher gescheucht wird kommt vielleicht weniger an der Heuraufe zum fressen, hat Hunger und ist somit nicht entspannt genug um in der Reitstunde zur Losgelassenheit zu finden. Ein Sattel, der zwar dem Pferd passt, der Reiterin, die aber in den letzten Monaten etwas zugenommen hat, nicht mehr den idealen Sitz gibt, verhindert ein losgelassenes Mitschwingen und kann somit dann auch zur Klemmigkeit des Pferdes führen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist der aktuelle Gesundheitszustand und auch der Gesundheitszustand der vergangenen Zeit. Jeder kennt es, der sich mal am Fuß verletzt hatte: Das Schmerzgedächtnis täuscht noch lange vor, es könnte gleich wieder weh tun und so humpelt man plötzlich in Situationen, obwohl der Fuß schon wieder ganz in Ordnung ist. Einfach nur, um sich selber zu schützen und zu verhindern, dass man vielleicht gleich wieder den Schmerz spüren könnte.

Auch die bisherige Ausbildung und Geschichte von Reiter und Pferd muss in manchen Situationen betrachtet werden. Falsch wäre es jedoch, aufgrund der Geschichte, manche Dinge komplett zu verneinen oder zu verteufeln. Auch hier hilft der distanzierte Blick eines geschulten Reitlehrers zu erkennen, ob die damals geschehenen Dinge überhaupt mit den aktuellen Problemen in Verbindung gebracht werden müssen oder sollten und wie ein möglicher Lösungsansatz aussehen könnte.

Sind alle diese Punkt beim Pferd abgehakt, sollte man sie ebenso auch beim Reiter durchgehen. Einer der den ganzen Tag im Büro mit eingezogenen Schultern auf das Donnerwetter des Chefs wartet, wird selten abends losgelassen im Sattel sitzen können. Auch ist es unwahrscheinlich, dass ein Reiter mit Magenproblemen wirklich viel Spaß am galoppieren findet.

Besonders aufpassen muss man aber einerseits bei Reitern, die vollkommen überzeugt von sich selber sind und alle Probleme beim Pferd oder der Ausrüstung suchen und an sich selber nichts ändern möchten, obwohl das in manchen Fällen der einzige Schüssel zum Erfolg sein wird. Genauso aufpassen muss man aber auch bei Reitern, die allzu kritisch nur an sich selber herum suchen und gar nicht in Betracht ziehen, dass das Problem an ganz anderer Stelle, zum Beispiel eben, einem ihnen unpassendem Sattel liegen könnte.

Selten ist ein Problem direkt auf den ersten Versuch komplett zu begreifen und abzustellen, meist handelt es sich um ein ganzes Sammelsurium an einzelnen Aspekten, die zusammen ein vordergründiges sichtbares Problem ergeben. Aufgabe als Reitlehrer ist es die Schüler zu unterstützen den richtigen Weg zu finden. Absichtlich schreibe ich hier nicht „die Lösung“ sondern „den Weg“ zu finden. Meist ist ein Hinzuziehen von weiteren Spezialisten, wie Tierärzten, Sattlern, Physiotherapeuten für Mensch und Tier, Zahnarzt, Schmied, Bewegungstrainer, den Stallbesitzern oder einem Fütterungsexperten sinnvoll und notwendig. Ausdrücklich schließe ich hier die selbsternannten Experten des Reitstalls und die Gurus der Internet-Communitys aus.

Unserer Aufgabe als Trainer ist es zu erkennen, wann es gilt besser reiten zu lernen und wann man besser auf weitere Ursachenforschung gehen sollte. Allgemein gilt: Lieber einmal auf Nummer sicher abklären, dass das Pferd eine gestellte Aufgabe auch bewerkstelligen kann, als etwas zu verlangen, was es nicht hinbekommen kann. Mit diesem Wissen reitet es sich dann auch viel sicherer und entspannter.

Um noch einmal den Bogen zu unserem Kuchen zu schlagen: Lasst uns gute Zutaten nutzen, lernen wir sie richtig zu verarbeiten und wenn wir uns unsicher sind, dann holen wir uns Hilfe durch einen erfahrenen Bäcker, der weiß wo man gutes Mehl, feine Kirschen und genügend Sahne herbekommt. Dann wird ganz sicher auch bei uns irgendwann eine prächtige Sonntagstorte auf dem Kaffeetisch stehen.